Film von Ulrike Gehring

Erwartungsvoll stehen die Seeleute vorne am Bug: Es ist stockfinster, als der Kapitän die Anweisung gibt - Ankern! In Sekunden rasen Kettenglieder von der Größe eines Rugbyballes durch die Halterung, Farbe splittert, Funken fliegen. "Fallbeilgeschwindigkeit" - so muss es sein. Kapitän Marcus ist zufrieden und leuchtet mit seiner Taschenlampe über den Bugrand des riesigen Containerschiffes. Jetzt wird die Zeit gemessen, in der die Mannschaft den 4.800 Kilogramm schweren Anker wieder an Bord hievt. John Peter Marcus ist Testkapitän, einer von ganz wenigen in Deutschland. Der Spezialist wird gerufen, wenn eine Werft einen Schiffsneubau an den Auftraggeber übergibt. Das ist immer eine heikle Aktion, bei der es um viel Geld geht. Denn mit dem Abschluss der 30-stündigen Testfahrt - die mit Zick-Zack-Fahren, Kreisen, Crash- und Mann-über-Bord-Manövern nautische Turnübungen mancher Art beinhaltet - geht immer auch der letzte Akt eines Millionengeschäftes über die Bühne. Diesmal ist Kapitän Marcus (54) mit seiner Crew an Bord von "Neubau 221", die über Funk freilich schon "Sima Paya" gerufen wird - so heißt das 156-Meter-Containerschiff demnächst. Den ersten Härtetest hat der Kapitän schon hinter sich: Dezimetergenau musste der neue, unerprobte Pott aus der Werft navigiert werden - sonst wäre er gegen eine Brücke geknallt. Jetzt ist das Schiff volle Kraft voraus unterwegs Richtung baltisches Meer - um die amtliche Höchstgeschwindigkeit festzustellen. Erst wenn die ostdeutsche Wolgast-Werft das technische "OK" von den Gutachtern bekommt, kann die "Sima Paya" an den arabischen Auftraggeber verkauft werden. Auch unter Deck gibt es Nervenkitzel: Und zwar für das gute Dutzend Monteure, Repräsentanten der jeweiligen Zulieferfirmen. "Hier ist Pokerface angesagt", erzählt der Maschinenbauer und schmunzelt. Schließlich - allzu viele Beanstandungen kann sich kein Lieferant leisten. SWR-Reporterin Ulrike Gehring begleitet Spezialkapitän John Peter Marcus 30 Stunden lang auf der "Sima Paya", erlebt Seeleute, Maschinenverliebte und Besorgte. Eine spannende Reportage über eine Jungfernfahrt der besonderen Art.