Dutzende von Aids-Opfern aus Taiwan und Hongkong haben 2003 in den USA Klage gegen den deutschen Pharmakonzern Bayer AG eingereicht. Sie werfen dessen früherer Tochterfirma Cutter vor, 1984 und 1985 aidsverseuchte Präparate nach Asien verkauft zu haben. Mehrere Hundert Patienten wurden mit dem Virus infiziert. Cutter hatte damals die neue Generation eines Medikaments gegen die Bluterkrankheit "Hämophilie" entwickelt. Da es zu diesem Zeitpunkt noch kein Testverfahren zum Nachweis des die Immunschwäche Aids auslösenden Virus gegeben habe, seien die aus menschlichem Blutplasma hergestellten Infusionen bis dahin zum Teil mit Aids verseucht gewesen. Bei dem neuen Produkt wurden die HIV-Viren durch Erhitzung sicher abgetötet. In den Vereinigten Staaten und in Europa wurden die alten, nicht-erhitzten Präparate sofort ausgetauscht. Auch die Importfirmen in Hongkong und Taiwan verlangten die Lieferung der Neuentwicklung, wurden aber von Cutter angewiesen, die noch gelagerten alten Präparate zunächst zu verkaufen. Vermerke und Fernschreiben der Cutter-Zentrale in San Francisco weisen darauf hin, dass die Führung der Bayer-Tochter wusste, was sie tat. Jede weitere Verwendung der alten Präparate sei wegen der gesundheitlichen Risiken "nicht zu rechtfertigen", schrieb ein Exportmanager im November 1984. Egmont R. Koch verfolgt die Spuren des Pharmaskandals. Er sprach in Hongkong und Taiwan mit Opfern und deren Angehörigen. Auch zwei Manager von Cutter erklärten sich zu einem Interview bereit.