Nach dem Menschen ist der Schwertwal, auch Orca genannt, das am weitesten verbreitete Säugetier der Welt: Von den Polen bis zu den Tropen beherrscht er die Meere. Sein dritter Name, "Killerwal", verrät es: Der Meeresräuber hatte lange Zeit keinen guten Ruf. "Eine ungeheure Masse Fleisch, bewaffnet mit barbarischen Zähnen", so beschrieb ihn der römische Gelehrte Plinius. Tatsächlich vermag der Schwertwal junge Robben wie Frisbeescheiben durch die Luft zu wirbeln, um sie anschließend zu zerfleischen, von einem Pinguin lässt er nichts als die Fetthülle zurück.

Doch ist das allein der Schlüssel zu seinem Erfolg? Jüngste Forschungsergebnisse zeigen die schwarz-weißen Wale mit der typischen schwertähnlichen Rückenflosse in einem neuen Licht: Orcas sind sozial, anpassungsfähig, kooperativ und intelligent. Vieles muss erst erlernt werden. So das Jagen im flachen Wasser oder das Verspeisen eines Vogels - und Pinguine mögen die Giganten am liebsten. Jagdhandwerk oder Vorlieben für bestimmte Speisen zu entwickeln und weiterzugeben, wird beim Menschen "Kultur" genannt. Auch die Wale geben ihre Erfahrungen von einer Generation zur nächsten weiter. Traditionen und damit "Kultur" spielen im Leben eines Killerwals eine große Rolle.


Dem Menschen hat der gefährliche Säuger bislang kaum etwas angetan
In verschiedenen Teilen der Welt kann diese "Kultur" ganz unterschiedlich aussehen. Jeder Lebensraum stellt die Wale vor andere Herausforderungen: Mal ist es die Brandung, mit der sie fertig werden müssen, mal das Verhalten der Beute, die es zu überlisten gilt. Manche der Tiere sind Weltenbummler, andere bleiben ihr Leben lang der Heimat treu, andere wieder sind Pendler. Die Nomaden ziehen entweder als Singles umher oder bilden Minigruppen von wenigen, nicht miteinander verwandten Tieren. Die sesshaften Tiere leben zumeist in Familienverbänden. Zwischen Müttern und Jungtieren besteht eine enge Bindung. Mit der Großmutter, den Geschwistern, den Neffen und Nichten bilden sie einen typischen Clan.

Auch in der Kommunikation geben sich die Wale unterschiedlich. Verhalten sich die Nomaden eher einsilbig, verfügen die in lebenslangen Gemeinschaften lebenden Tiere über ein reichhaltiges Repertoire an Lauten. Mehr noch: Sie haben sogar eigene Dialekte. Das Kalb lernt diesen Dialekt von seiner Mutter, und so wird er von Generation zu Generation weitergegeben. Bei einer Walgruppe vor der Pazifikküste Nordamerikas unterscheiden Wissenschaftler mehr als zwanzig verschiedene Rufe im "Sprachrepertoire". Die Orcas "plaudern" ausgiebig miteinander - und innerhalb der Gruppe erkennen sich die Tiere anhand ihrer Rufe.


Selbst verwandte Arten werden zu seiner Beute
Und noch etwas machen Wale mit ihrer Stimme: Sie orten Fische per Echolot. Eine Technik, die der Mensch noch nicht allzu lange nutzt. Über das Aussenden der für sie typischen Klicklaute formen sich die Tiere mittels der zurückgeworfenen Echos ein "Hörbild" ihrer Umgebung. Fischer und Orcas teilen sich seit Jahrhunderten die Gewässer. Bis Mitte der fünfziger Jahre triumphierten die Wale: Sie entdeckten die Fischschwärme zuerst und waren schneller dort als die Boote. Als der Mensch das Echolot erfand, wendete sich das Blatt. Nun konnten die Fischer die Wale mit ihren eigenen Waffen schlagen. Für kurze Zeit waren sie damit auch erfolgreich. Aber nur solange, bis die Wale verstanden hatten, dass sie nur den Booten zu folgen brauchten, um zu wissen, wo fette Beute zu erwarten ist ...

Mit neuester Kameratechnik verfolgt das Filmteam die großen Wale und dokumentiert die Lebensweise der verschiedenen Typen. Entstanden ist ein Porträt, das den Orca als das zeigt, was er ist: ein perfekter Räuber, der gefräßigste unter den Meeressäugern, der sogar verwandte Arten zu seiner Beute macht.