"Pius XXII. hat nicht einmal versucht, mit einer Intervention die Juden vor dem Holocaust zu retten", so die provokante These Gerhart Riegners, des Ehrenvizepräsidenten des jüdischen Weltkongresses. Er und der Schriftsteller Rolf Hochhuth äußern sich zur Haltung Papst Pius` XII. während der Judenverfolgung.

Neue Kontroversen zur Rolle der katholischen Kirche im Holocaust löste das im März veröffentlichte Shoa - Dokument des Vatikan aus. Darin wird offiziell Stellung zu dessen Haltung während der Judenverfolgung im Nationalsozialismus bezogen. So beurteilt Hochhuth die Einschätzung, die Kirche habe Hunderttausende von Juden gerettet, angesichts der großen Zurückhaltung des Papstes als wenig wahrscheinlich. Auch die Aussage, nur "einige Söhne und Töchter der Kirche" seien dem Nationalsozialismus gefolgt, enttäuscht diejenigen, die ein allgemeineres "mea culpa" erwartet haben.

Der Schriftsteller Hochhuth hatte in den 60er Jahren mit dem Skandalstück "Der Stellvertreter" schärfer als kein anderer Pius XII. Vorwürfe wegen dessen Schweigen zu den Judenmorden gemacht. Heute schränkt er ein, der Papst habe die Weltöffentlichkeit zumindest nicht hinreichend gewarnt. Gerhart Riegner, der selber noch rechtzeitig vor dem Naziterror geflohen ist, betont vor allem die Linie der Kontinuität zwischen dem Mittelalter und der NS- Rassenpolitik. Er sieht im nationalsozialistischen Antisemitismus eine Fortsetzung der "jahrhundertealten Haltung der katholischen Kirche": "Die Scheidung zwischen rassistischem Nazismus und Antijudaismus der Kirche lässt sich nicht so durchführen in der Praxis, wie das Dokument es vorsieht."